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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 6. Dezember 2019

20% der Lehrverträge werden aufgelöst – also jeder fünfte. Ich frage mich: Wie ist das zu bewerten? Können wir als Berufsberaterinnen und Berufsberater diese Quote senken? Und wenn ja, wie? Ein Einblick in den Beratungsalltag

Mia ist überglücklich, sie hat eine Lehrstelle in einem Coiffeursalon in ihrer Gemeinde gefunden. Endlich arbeiten, eigenes Geld verdienen, selbständiger werden und nicht mehr dauernd in die Schule. In der Schnupperlehre durfte sie einen Übungskopf mit bunten Farben verschönern und sogar noch Fotos schiessen, welche sie stolz direkt auf Instagram gepostet hat.

Wir springen 9 Monate in die Zukunft, Mia hat ihre Lehre angetreten und arbeitet nun 4 Tage die Woche im Betrieb. Sie ist froh, dass sie nicht mehr täglich in der Schule ist, andererseits vermisst sie ihre Freundinnen, die alle bereits um 17 Uhr in der Stadt unterwegs sind. Sie selber muss bis 19.30 arbeiten und 2 Mal im Monat auch am Samstag. Ausserdem macht ihr das viele Stehen Mühe und statt Kundenkontakt zu pflegen, ist sie vor allem an den Puppen am Üben. Ihre Motivation fällt, nach intensiven Diskussionen mit Lehrmeister und Eltern entscheidet sie sich, die Lehre abzubrechen.

2 Wochen später sitzt Mia mit ihren Eltern bei uns in der Beratung. Wir sehen uns die frisch publizierte Studie des Bundesamts für Statistik an, welche die meisten Lehrabbrüche im Friseur- und Schönheitsgewerbe verortet, gefolgt von den Bereichen Verkehrsdienstleistungen und Elektrizität/Energie. Mia ist also in guter Gesellschaft, viele Schüler*innen haben sich zu wenig intensiv mit ihrem zukünftigen Beruf auseinandergesetzt oder kennen sich selbst zu wenig.

Gespräch 1 holt die Erwartungen ab und zwar von Tochter und Eltern. Ziel ist, eine Ausbildung im nächsten Sommer zu starten, die Spass macht. Bis dahin ist Vieles möglich, Mia kann aber weiterhin zuhause wohnen und braucht noch nicht dringend ein Einkommen. In den folgenden Gesprächen und mit Hilfe unseres Lehrmittels lernt sich Mia in den nächsten Wochen vor allem selber kennen. Es geht um Fragen wie, was interessiert mich? Was gefällt mir? Wie bin ich? Und was kann ich? Parallel dazu arbeiten wir mit diagnostischen Tests.

Erst danach geht es in die Entdeckung der Berufswelt und schnell wird klar: Mia hat viele Interessen und Träume, entdeckt und erforscht neue ihr unbekannte Berufe. Sie liest sich durch Berufsbeschreibungen, schaut sich Videos an und präsentiert uns dann stolz ihre Berufshitparade. Die Coiffeuse ist nicht in den Top14 („da hatte ich ein völlig falsches Bild“), dafür sind Berufe rund ums Thema Tiere prominent vertreten aber auch Optikerin ist eine Option. Mia erkundet ihre Top 3 Berufe intensiv, führt Interviews mit Berufsleuten, vergleicht mit unserer Hilfe ihre Persönlichkeit mit dem Anforderungsprofil des jeweiligen Berufs. In einem Interview mit einer Tierärztin und Tierpflegerin wird ihr direkt ein Praktikum angeboten. Wir schliessen die Beratung ab, begleiten Mia aber weiter auf ihrem Weg. Und sie meint: Hätte ich mir mehr Zeit genommen vor der Entscheidung, dann hätte ich mir den Abbruch ersparen können, aber jetzt bin ich ganz sicher was ich will. Mia sucht jetzt nach einer Lehrstelle als Tierpflegerin.

In der gesamten Berufsbiographie hat Mia nur ein Jahr verloren, was bestimmt nicht tragisch ist. Aber ein Abbruch einer Ausbildung verursacht einerseits einen volkswirtschaftlichen Schaden, andererseits erschüttert er das meist noch sehr fragile Selbstbewusstsein von Jugendlichen. Um dies zu verhindern, arbeiten wir mit unserem S&B-Berufswahlportfolio für Jugendliche in der Sekundarschule sehr intensiv an Themen der Selbstfindung und Ich-Bildung, noch bevor wir in die Welt der Berufe eintauchen. Aber dazu mehr im nächsten Blog.

 

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